Die Geisterstadt, Lüderitz und der Fish River Canyon – Road-Trip durch Namibia Teil 4
Ich bin ja schon oft übermüdet Auto gefahren. Ich bin dabei aber nie eingeschlafen. Bis zu dem Tag, an dem wir uns von der Weltevrede Guest Farm auf den Weg nach Aus machten.
Wir hatten die halbe Nacht dank eines Gewitters im Auto statt im Zelt verbracht und entsprechend kaum geschlafen. Als es langsam hell wurde, machten wir uns dann auch direkt auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, dem Campingplatz Klein-Aus Vista. Christian, der Reiseleiter, den wir am 1. Abend in Weltevrede kennengelernt hatten, hatte für uns auf dem Platz 2 Nächte reserviert. Auch er erzählte uns, es sei High Season und alle Campingplätze wären ausgebucht. Ja nee, ist klar. Aber egal, er wollte uns den Gefallen tun, also ließen wir ihn. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das eine gute Entscheidung war, denn der Platz war tatsächlich ausgebucht. Blieb aber mit dem Platz, auf dem wir in Twyfelfontein nicht campen konnten, der einzige in Namibia.
Der erste (und einzige) Sekundenschlaf
Aber zurück zum Schlafmangel. Die Strecke nach Aus führte zunächst über eine geteerte Straße mit sehr wenigen Kurven, sehr wenig Verkehr und entsprechend sehr wenig Abwechslung. Patrick schlief seelenruhig neben mir und auch ich merkte nach ca. 1 Stunde Fahrt, dass ich zunehmend müder wurde. Ich kannte das Dilemma ja aus der Vergangenheit von diversen Jetlags, also war ich sicher, ich würde die Müdigkeit überwinden. Dem war aber leider nicht so – und ich schlief tatsächlich ein! Es konnte nur für den Bruchteil einer Sekunde gewesen sein, weil das Auto immer noch in der Spur war, als ich wieder aufwachte. Aber es reichte, um mir einen gehörigen Schrecken einzujagen und ich war dann doch so schlau, am nächsten Rastplatz anzuhalten und Patrick zu bitten, weiter zu fahren. Der hatte schließlich die letzte Stunde wunderbar geschlummert und von meinem Sekundenschlaf gar nichts mitbekommen.
Nach 388 km erreichten wir dann den Ort Aus, der auch nicht viel schöner war als Otavi oder Khorixas. Aber Christian hatte uns erzählt, der Campingplatz Klein-Aus Vista sei einer der besten, die er kenne. Und so war es tatsächlich auch. Der Campingplatz ist 2 km von der Rezeption entfernt und liegt mitten in der Wüste. Obwohl der Platz so abgeschieden ist, fühlte ich mich nicht so einsam wie z. B. in Weltevrede – was natürlich auch an den anderen Campern gelegen haben könnte.
Der erste richtige Kontakt mit Jesus
Nachdem wir zu Abend gegessen hatten, machten wir uns auf den Weg zur Bar, die direkt neben der Rezeption war. Wir gönnten uns ein Bier auf der Terrasse und beobachteten dabei den Sonnenuntergang, als plötzlich eine kleine Gruppe Namibier, bestehend aus allen Altersklassen, auftauchte und anfing zu singen. Das Konzert dauerte ca. 30 Minuten und die Lieder handelten alle davon, wie dankbar alle sind, dass sie durch Jesus auf dieser Erde sein dürfen. Die Lieder waren ein Mix aus Englisch und Afrikaans und wurden natürlich von einer passenden Tanzeinlage unterstrichen. Hier kamen wir das erste Mal so richtig mit dem Glauben der Afrikaner in Kontakt und ich war wirklich beeindruckt, wie überzeugt die Menschen von Gott und Jesus sind. Ich selbst glaube nicht an Gott, aber ich bin auch in komplett anderen Verhältnissen aufgewachsen als die meisten Menschen in Namibia. Sie danken Gott jeden Tag dafür, dass sie leben dürfen und etwas zu essen haben – wie wenig das auch sein mag.
Nach dem kleinen Konzert blieben wir noch eine Zeitlang an der Bar, bevor wir uns im Stockdunkeln auf den Weg zurück zum Zelt machten. Nicht mal der Mond war uns eine Hilfe und so mussten wir den Rückweg nur mit einer winzigen Lampe bestreiten. Zum Glück waren wir so clever, überhaupt an die Lampe zu denken.
Die sechste Attraktion: Die Geisterstadt Kolmanskop
Die Nacht war sehr ruhig, ohne Wind und Gewitter, und wir konnten uns entsprechend ausgeschlafen am nächsten Tag auf den Weg nach Kolmanskop und anschließend weiter nach Lüderitz machen. Wir sind ja eigentlich eher nicht so die Sightseeing-Typen, aber die Geisterstadt Kolmanskop hat uns wirklich positiv überrascht. Die ehemalige Heimat der Diamantensucher aus dem anfänglichen 20. Jahrhundert liegt ca. 20 km vor Lüderitz und besteht heute fast nur noch aus Baracken. Die Überbleibsel der Häuser lassen aber darauf schließen, dass die Menschen für die damaligen Verhältnisse wirklich überdurchschnittlich komfortabel gewohnt haben – kein Wunder, denn durch die Diamanten konnten die Arbeiter dort ja auch angemessen bezahlt werden.
In Kolmanskop gab es alles, was das Herz begehrte. Eine Kegelbahn, die sogar heute noch so existiert wie damals, eine Turnhalle, einen Laden, einen Bäcker, einen Schlachter, eine Polizeistation, ein Krankenhaus und gut ausgestattete Häuser mit richtigem Bad und richtiger Toilette. Einige der Häuser, wie z. B. das Haus des Ladenbesitzers, sind erhalten worden und sind heute noch genau so eingerichtet wie vor knapp 100 Jahren. Es ist wirklich faszinierend, durch die Stadt zu spazieren und die verwahrlosten Häuser zu inspizieren. In einem Haus haben wir ein Zimmer entdeckt, dessen Tür viel niedriger war als alle anderen. Wir fragten uns, wer wohl in dem Zimmer gewohnt hatte – die Kinder? Irgendwie Schwachsinn. Wahrscheinlicher war, dass der Haussklave früher dort wohnte. Auch irgendwie Schwachsinn, aber wohl damaliger Standard.
Der Eintritt in die Geisterstadt kostet 75 N$ pro Person, die wirklich gut investiert sind. Wir waren leider relativ spät da und hatten nur 1,5 Stunden Zeit, da die Stadt bereits um 13:00 schließt – danach wird es dort zu windig.
Die erste schöne Stadt
Nach einem leckeren Mittagessen im Restaurant der Geisterstadt fuhren wir dann also um 13:00 weiter nach Lüderitz. Bisher hatten uns die Städte in Namibia ja nicht wirklich beeindruckt, also erwarteten wir auch hier nicht zu viel – um nicht zu sagen gar nichts. Aber die Stadt ist wirklich ganz nett und wir fühlten uns hier auf jeden Fall wohler als in Swakopmund. Bevor wir in die Stadt fuhren, bogen wir aber noch zum Dias Point ab. Von dem Aussichtspunkt auf der Lüderitz-Halbinsel aus hast du einen tollen Ausblick auf’s Meer und auf die Wüste. Flamingos sind hier nicht selten und mit etwas Glück kannst du sogar Delphine beobachten. Der kleine Umweg dorthin lohnt sich also in jedem Fall.
Wir genossen hier etwas länger als nötig den Wind, der uns um die Nase wehte und so wunderbar nach Meer roch, bevor wir anschließend in die Stadt fuhren. Hier gönnten wir uns ein riesiges, leckeres Stück Kuchen im Café Diaz, dem scheinbar einzigen Café der Stadt, bevor wir uns auf den Rückweg nach Aus machten. Es war schon später Nachmittag und wir wollten uns auf jeden Fall auch noch die wilden Pferde angucken, die ca. 10 km vor Aus auf einem riesigen Gelände leben. Wir mussten 20 Minuten warten, bevor uns 2 Pferde die Ehre erwiesen und das künstlich angelegte Wasserloch besuchten.
Die siebte Attraktion: Fish River Canyon
Am nächsten Tag ging es nach einer arschkalten Nacht weiter Richtung Fish River Canyon. Diesen kompletten Trip inkl. Aus hatten wir ja eigentlich von unserer Route gestrichen, aber da wir noch so viel Zeit hatten und Christian uns empfohlen hatte, die Tour bis an die Grenze Südafrikas zu machen, folgten wir seiner Empfehlung. Die 388 km lange Etappe über Rosh Pina und Aussenkehr entlang des Orange River unterscheidet sich wirklich komplett von den meisten anderen Routen in Namibia. Zum einen ist die Straße von Aus nach Rosh Pina die neueste in Namibia und entsprechend in einem hervorragenden Zustand. Grund für den Bau der Straße sind die vielen LKWs, die Zink aus der Mine in Rosh Pina zum Hafen nach Lüderitz bringen, von wo aus es verschifft wird. Zum anderen herrscht auf der Strecke ab Rosh Pina durch den nach wie vor existierenden Fluss eine rege Vegetation mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Pflanzen. Die Landschaft mit dem Fluss und den angrenzenden Felsen ist wirklich sehenswert.
Der Ort Ai-Ais ist dagegen absolut nicht sehenswert. Auf der Karte als Ort dargestellt, fanden wir ein riesiges Resort vor, das um die heißen Quellen von Ai-Ais herum gebaut wurde. Wir fanden nur eine einzige heiße Quelle vor und die war so unspektakulär, dass wir laut gelacht haben, als wir die angebliche Attraktion entdeckten. Entsprechend kurz war unser Aufenthalt in Ai-Ais und wir fuhren weiter zum Campingplatz Hobas, der nur 12 km vom Fish River Canyon entfernt liegt. Hier zahlten wir 120 N$ pro Person für die Nacht und machten uns am nächsten Morgen früh auf den Weg in den Canyon.
Das Wetter war super, wir hatten strahlenden Sonnenschein und die Sonne erhellte den gesamten Canyon. Ein Besuch des Lookout Points bei Hobas lohnt sich grundsätzlich eher am Morgen, weil der Canyon nachmittags in Schatten gehüllt ist. Der Fish River Canyon ist der zweitgrößte Canyon der Welt und absolut beeindruckend. Auch der Fish River existiert noch und sorgt für eine rege Vegetation im Canyon. Nachdem wir uns das Naturschauspiel vom Lookout Point angeguckt hatten, bogen wir nach links auf die 4×4 Straße ab und konnten den Canyon ganz alleine, ohne andere Besucher oder jegliche Geräusche, noch aus diversen anderen Blickwinkeln betrachten.
Keine Attraktion: Der Köcherbaumwald
Nach etwa 1 Stunde machten wir uns dann auf den Weg zu unserem letzten Ziel, bevor es zurück nach Windhoek gehen sollte: die Lapa Lange Lodge ca. 50 km vor Mariental. Statt der geteerten Hauptstraße nahmen wir ab Keetmanshoop die parallel verlaufende Sandstraße, um uns auch noch den Köcherbaumwald angucken zu können. Patrick war ganz wild darauf, Fotos von diesem Wald zu schießen, denn die Köcherbäume stehen ansonsten in Namibia nur vereinzelt herum. Das Wort Wald ist allerdings ziemlich irreführend, denn tatsächlich besteht der Wald eben aus ein paar mehr als nur einem Baum. Wir konnten nicht glauben, dass das schon der Wald sein sollte, aber als wir es realisierten, waren wir schon dran vorbei gefahren und Patrick hatte kein einziges Foto geschossen. Ärgerlich.
Die letzten 2 Tage
Am Nachmittag kamen wir dann in der Lapa Lange Lodge an – und auch hier waren neben uns nur sehr wenige Camper unterwegs. Abgesehen von dieser Lodge scheint in dieser Gegend vor Mariental allerdings auch nichts zu existieren, vielleicht verirren sich nicht viele Menschen dort hin. Die Lodge hat ein eigenes Wasserloch, das bei unserer Ankunft allerdings keinen Besuch von irgendwelchen Tieren hatte. Wir entspannten uns ein bisschen und hatten dann doch tatsächlich das Glück, dass 2 Nashörner ans Wasserloch kamen. Der Anblick war wirklich atemberaubend – das einzige andere Nashorn hatten wir ja nur im Dunkeln im Etosha Nationalpark gesehen. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass Nashörner auch hier auftauchen könnten – so nah an den Menschen und den Unterkünften. Die riesigen Tiere kamen aber und blieben. Auch am nächsten Tag waren sie noch da und es gesellten sich nachmittags neben diversen Böcken sogar auch noch Giraffen dazu.
Wir saßen nur da und sahen den Tieren zu – das ist wirklich besser als jede TV-Serie und war der krönende Abschluss unseres Road-Trips durch Namibia. Am nächsten Morgen machten wir uns sehr früh auf den Rückweg nach Windhoek, weil wir das Auto dort 2 Tage eher als geplant um 10:00 abgeben wollten. Nach 4458 km kamen wir nach 2 Wochen wieder bei Camping Car Hire an und waren überwältigt von diesem Land, aber auch froh, dass das Leben aus dem Kofferraum jetzt erst mal vorbei war.
hallo mona,
toller reisebericht über namibia, hab deinen blog erst grade entdeckt. zum köcherbaumwald wollte ich nur anmerken, dass ich dort den tollsten sonnenuntergang meines lebens erlebt habe. der himmel spuckte ein feuerwerk an orange-und rottönen aus, und die schatten, die diese bäume dabei warfen, waren der hammer 🙂 einfach unglaubliche bilder hab ich damals geschossen – das war afrika mit gänsehaut feeling……
lg, step
Hi Step!
Von außen sah der Köcherbaumwald wirklich nicht sehr spektakulär aus 😉 Aber es freut mich, dass du ihn entdeckt und so ein tolles Erlebnis dort hattest! Namibia war generell Afrika mit Gänsehaut-Feeling 🙂
LG, Mona
Ich bin genau auf der selben Strecke einmal eingeschlafen 🙂
Wir haben uns mit Hörspielen wach gehalten – Sehr erfolgreich sogar.
Viel Spaß euch noch!
Kevin
Hi Kevin,
Hörspiele, keine schlechte Idee! Wir hatten leider nur den schlechten Radioempfang zur Verfügung und das permanente Rauschen war vermutlich noch zusätzlich einschläfernd 😉
Liebe Grüße,
Mona