This is Africa! Volunteering in Südafrika – Teil 2

Nieu-Bethesda

„Was ist das für ein Gestank?“ 

Das fragte ich mich als erstes, als der Wecker mich am 2. Tag unseres Nieu-Bethesda Abenteuers um 7:00 weckte. Irgendwie roch es in unserer Hütte nicht besonders gut. Und jedes Mal, wenn ich meinen Kopf bewegte, wurde der Geruch schlimmer. Und dann fiel es mir wieder ein: das Wasser war schuld! Meine Haare rochen am nächsten Morgen noch ekelhafter nach faulen Eiern als am Abend zuvor.

Wir quälten uns in der Eiseskälte aus dem Bett und machten uns im Badezimmer frisch. Das Badezimmer im Hostel konnten wir ja nicht benutzen, also gingen wir zum Außenbad. Das bestand aus einem Wasserhahn, der außen am Hostel angebracht war. Immerhin konnten wir uns die Zähne putzen, der Rest war ja noch vom Eierwasser frisch.

Nieu-Bethesda Bathroom

Als wir um 8:00 im Restaurant ankamen, hieß es erst mal frühstücken. Uns wurde zwar gesagt, dass wir um 8:00 da sein sollen, um mit der Arbeit anzufangen, aber in Nieu-Bethesda nimmt das niemand so genau. Anfangs war das Frühstück super. Wir konnten das übrig gebliebene Brot vom Vortag essen und uns am Kühlschrank in der Restaurantküche bedienen, der alles beinhaltete, was auch auf die Käseplatte kam: verschiedene Sorten Cheddar, Frischkäse und Salami – zusätzlich standen verschiedene Sorten Marmelade bereit.

Leider wurde uns dieses Luxusfrühstück nach ein paar Tagen versagt, als es plötzlich neue Regeln gab. Dann hieß es, wir wären jetzt so viele Volunteers, dass die Vorräte für das Restaurant zu schnell aufgebraucht wären, wenn wir uns alle daran bedienen würden. Dass die Vorräte so groß waren, dass die Hälfte vom Käse im Kühlschrank verschimmelte, zählte nicht als Gegenargument. Also bekamen wir eigene Frühstücksutensilien. Und wir bekamen eine eigene Küche, in der wir ab sofort auch abends unser eigenes Essen kochen sollten.

Small KitchenDie Küche war ein Witz. Der Herd sah aus wie aus einem uralten Puppenhaus und es gab einen Tisch mit 2 Stühlen – für 5 Leute vielleicht ein bisschen eng. Wir bekamen allerdings auch keine anderen Stühle und mussten deshalb jedes Mal, wenn wir abends gekocht hatten, alle Töpfe, Geschirr, Besteck usw. zum Restaurant schleppen und nach dem Essen wieder zurück in die Hütte, in der die Küche war. Ich würde übertreiben, wenn ich sagen würde, der Weg war lang. Aber die ganze Sache war einfach total ineffizient, weil wir für die ganze Rennerei unnötig Zeit verschwendeten. Wir mussten auch mittags in unserer eigenen Küche essen – dadurch wurde die Pause dann eben länger und im Restaurant waren weniger Leute. Aber das war egal. This is Africa.

Die ersten Tage sahen, was die Arbeit angeht, ziemlich ähnlich aus. Die Frauen durften das Restaurant putzen, Geschirr spülen und im Restaurant bedienen, während die Männer Kuhscheiße schaufelten und Feuerholz für die Dusche sammelten und hackten. Es wurde also nicht nur nach Klassen getrennt gegessen, sondern auch nach Geschlechtern getrennt gearbeitet.

Nieu-Bethesda

Patrick’s Lieblingsaufgabe in den ersten Tagen war, den Garten am Hostel umzugraben. Das ganze Grundstück sah noch aus wie Kraut und Rüben und es würden mit Sicherheit noch einige Autos durch den Garten fahren, um Baumaterial abzuladen oder Schutt zu entsorgen. Aber Adam wollte, dass der Garten jetzt von seinen kleinen Hügeln befreit wurde. Also wurde er komplett umgegraben. Es war grundsätzlich so, dass Adam Dinge in dem Moment tat – oder tun ließ – in dem sie ihm in den Sinn kamen. Ob das sinnvoll war oder nicht spielte dabei keine Rolle. Ob dafür andere Dinge, die vielleicht wichtiger waren liegen blieben, auch nicht. This is Africa.

Making Cheese

Während Patrick also echter Männerarbeit nachging, lernte ich, wie man Kaffee röstet und Frischkäse herstellt. Es war allerdings nicht Adam, der es mir zeigte, sondern Jade. Adam war grundsätzlich nicht besonders häufig im Restaurant zugegeben, weil er immer sehr beschäftigt mit anderen Dingen war. Genau wie Abby. Sie war am meisten damit beschäftigt, Zigaretten zu rauchen und den Angestellten aus dem Township, die sich um das Haus und die Tiere kümmerten, Anweisungen zu geben. Und wenn davon gerade nichts akut war, dann malte sie gerne Schilder. Auf denen gab sie den Volunteers Anweisungen und verzierte sie mit kleinen Blümchen, um es netter erscheinen zu lassen.

Ich bekam ziemlich schnell den Eindruck, dass sie scheinbar vergessen hatte, dass sie selbst auch ein Volunteer war. Der Eindruck bestätigte sich, als sie eines Tages nach einem anstrengenden Tag im Restaurant zu Adam sagte, dass sie ins Restaurant gehöre und nicht in die Spülküche – oder sonst wohin, wo niedere Arbeit verrichtet wurde.

Deshalb waren es natürlich auch Jade und ich, die ein paar Tage später eine wundervolle neue Aufgabe bekamen. Jade kam freudenstrahlend auf mich zu, nachdem sie die Aufgabe von Adam bekommen hatte. „Mona, wir dürfen ins Hostel fahren und da den Boden schrubben!“ Wahnsinn, ich hätte mich fast eingekackt vor Freude. Also machten wir uns ein Brot für die Mittagspause und fuhren mit dem uns zur Verfügung gestellten Auto zum Hostel. Das Auto war ein absolutes Highlight. Es war gefühlte 100 Jahre alt und sprang nur selten direkt an, weil die Batterie eigentlich immer leer war. Jedes Mal, wenn wir irgendwo mit dem Auto hielten, mussten wir die Batterie kappen, um hinterher nicht auf eine Überbrückung angewiesen zu sein. Die Lenkung war so ausgeleiert, dass ich das Lenkrad halb rumdrehen konnte, ohne dass das Auto sich in irgendeine Richtung bewegte. Das Auto hatte 2 Sitze, die restlichen Beifahrer standen auf der Ladefläche. Aber das ist eigentlich überall so, dass mehr Leute in einem Auto transportiert werden, als reinpassen. This is Africa.

Bakkie

Aber zurück zum Bodenschrubben. Das Hostel hatte insgesamt nur 2 Schlafzimmer. In dem einen wohnten ja bereits Jade und Ryan. Und Adam hatte Patrick und mir angeboten, in das andere Zimmer zu ziehen, das später, also so in 5 Jahren, mal ein Mehrbettzimmer werden soll. Vorher musste aber noch der Boden hergerichtet werden. Die Menschen, die die Wände im Hostel gestrichen hatten, taten das vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben. Denn sie hatten nicht daran gedacht, den Boden abzukleben, was dazu führte, dass die Wandfarbe über den ganzen Boden verteilt wurde. Und die durften Jade und ich nun beseitigen. Mit Stahlbürste, Spachtel und Besen bewaffnet machten wir uns also an die Arbeit.

Mein Vater hätte mich aus diesem Hostel rausgeprügelt, wenn er gesehen hätte, wie ich auf dem Boden kriechend Farbe unbekannten Ursprungs abschrubbe und anschließend einatme. Nachdem wir den Boden von allen weißen Flecken befreit hatten, hieß es fegen, wischen, fegen, wischen, fegen, wischen (ich übertreibe nicht!) und zum Abschluss 2x mit einer klaren Flüssigkeit streichen, die ziemlich ekelhaft roch. Der Boden sah danach genauso aus wie vorher, nur glänzend. This is Africa.

Hostel Room

Aber Jade und ich waren stolz auf unser Werk. Und noch besser war, dass Patrick und ich nun umziehen konnte. Adam kaufte uns am nächsten Tag sogar ein neues Bett, nachdem wir ihn darauf hingewiesen hatten, dass 1 Meter für 2 ausgewachsene Personen vielleicht ein bisschen zu schmal ist – da ändert auch die Kinderbettwäsche nichts dran. Wir zogen also mit neuem Bett und unserem Kleiderschrank in Form eines Tisches in unser neues Reich ein. Dort hatten wir auch keine Tür mehr, die wir mit einem Vorhängeschloss verriegeln mussten. Wir hatten gar keine Tür mehr. Aber wir hatten Ryan, der nebenan schlief und ein Messer besaß. This is Africa.

Hostel No Door

Während Jade und ich das Hostel auf Vordermann gebracht hatten, gingen Patrick und Ryan natürlich wieder richtiger Männerarbeit nach. Adam fand Jades Idee, eine Umkleide neben die Außendusche zu bauen und beides mit einem Dach zu versehen nicht verkehrt. Also schaufelten die Männer einen ganzen Tag lang Erde, um den Bereich neben der Dusche eben zu machen. Nach dem einen Tag waren für Adam aber wieder andere Dinge wichtiger, weshalb keiner von uns in den Genuss kam, das vollendete Werk zu begutachten.

Zu den Aufgaben einer Frau gehört ja auch das Einkaufen. Da Nieu-Bethesda nur diesen einen winzigen Shop hat, musste ab und zu jemand für einen größeren Einkauf nach Graaff-Reinet fahren. Ich bot an, zu fahren, weil ich so wenigstens mal einen halben Tag aus diesem Ort rauskam. Ich sollte mit dem Zweisitzer von Adams Frau fahren und noch eine Frau aus dem Township mitnehmen, die von Montag bis Freitag in Graaff-Reinet arbeitet. Als ich ins Auto stieg, begrüßte mich aber nicht nur die Frau, sondern auch ihre beiden Kinder – eins auf ihrem Schoß und eins hinter die Sitze geklemmt. Auf dem Weg in die Stadt sammelte ich dann außerdem noch einen Mann aus dem Township ein, der die Fahrt im Kofferraum verbrachte. This is Africa.

Nieu-Bethesda Township

Patrick und ich hatten bereits nach ein paar Tagen entschieden, dass wir auf keinen Fall 3 Wochen in Nieu-Bethesda bleiben wollen. Wir konnten aber auch schlecht vor Jade und Ryan abreisen, die es immerhin schon 2 Wochen länger als wir ausgehalten hatten. Also beschlossen wir, zur gleichen Zeit wie die beiden abzureisen und früher als geplant weiter nach Kapstadt zu ziehen. Wir überlegten, ob wir Adam den wahren Grund nennen oder ihm irgendeine Geschichte auftischen sollten. Aber die Gedanken waren Zeitverschwendung, denn als wir ihm von unserer Planänderung erzählten, fragte er überhaupt nicht nach dem Grund. Also sparten wir uns jegliche Versuche zu erklären, wie man in unseren Augen ein Restaurant führt, ein Hostel baut oder Menschen, die freiwillig gegen Essen und Unterkunft für ihn arbeiten, behandelt – nämlich nicht so, wie er es tut. Wir haben in der ganzen Zeit kein einziges Danke gehört.

Mind your Head

Es gab aber auch gute Momente in Nieu-Bethesda. Abends nach der Arbeit, wenn wir 4 zusammen im Pub saßen. Wenn wir die langjährigen Mitarbeiter zurück ins Township fuhren und sie uns erzählten, dass sie für einen ganzen Tag Arbeit nur 90 Rand bekommen – und davon eine ganze Familie ernähren müssen. Wenn wir abends zum Essen ins einzige Township-Restaurant gingen und die alte Frau, die uns bekochte, eine Kinderschar bestellt hatte, die für uns Jesuslieder sang und sich dafür bedankte, dass Gott ihnen das Leben geschenkt hatte. Wenn wir auf dem Dach des Hostels saßen und den Sonnenuntergang beobachteten.

Nieu-Bethesda Pub

Nieu-Bethesda Sunset

Dann war plötzlich alles nur noch halb so schlimm.

Nieu-Bethesda Sunset

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Über den Autor

Mona

Früher saß ich den ganzen Tag im Büro am Schreibtisch - heute bin ich angehende Weltenbummlerin, Fotografin, Texterin, Geschichtenerzählerin und Reiseplanerin.
In diesem Blog erzähle ich die Geschichten, die mein Freund Patrick und ich auf unserer Weltreise erleben - und gebe Tipps zur richtigen Vorbereitung einer Langzeitreise und zu einzelnen Reisezielen.

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